Wenn dir die Zugbegleiterin "Weiterhin gute Landungen" wünscht......

Luftraumslalom im Tessin
Einmal mehr zieht es meinen Bruder Thomas und mich weit hinunter ins Tessin. Die Alpe di Caviano, ein Startplatz oberhalb Mendrisio ist heute das Ziel. Der Abenteurer Christof Schoch konnte ebenfalls überzeugt werden.

Der breite, leicht ansteigende Weg führte uns in ca. 1,5 h gemütlich zum Startplatz. Oben angekommen erwartete uns eine sehr grossflächige Startwiese und einheimische Piloten konnten schon bald erste Höhenmeter im Startschlauch gewinnen. Einem wunderbaren Flugtag schien nichts im Wege zu stehen. Das sommerliche Wetter lud zum Verweilen ein, trotzdem begannen wir zügig mit den Startvorbereitungen.


Und schon bald waren wir in der Luft. Christof flog nach Westen um sich zwischen den vielen Lufträumen hindurch zu schlängeln - ein Meister in dieser Disziplin - was vergangene Flüge eindrucksvoll zeigen. Thomas und ich planten zuerst etwas nach Osten zu fliegen und danach möglichst weit nach Norden zurückzufliegen. Aufgrund der zunächst eher tiefen Basis kürzten wir unsere Flugpläne und flogen daher direkt nach Norden Richtung Lugano. Monte Generoso, Seequerung und aufdrehen am Monte Bre, neben der CTR von Lugano war der Plan. Und tatsächlich funktionierte alles wunderbar. Brunos Tipps ein paar Tage zuvor bei einer gemeinsamen Heimreise zahlten sich aus.
Also gings für uns immer weiter der Sonne und den Thermikquellen entlang Richtung Bellinzona. Das Zusammenfliege macht einfach Freude. Thomas landete am Ende in Bellinzona, mich reizte das Umfliegen und oder Unterfliegen des örtlichen Luftraumes, daher gings für mich etwas weiter bis Bodio.

Alles relativ normale Streckenflugsituationen, deshalb möchte ich nicht weiter darauf eingehen. Aber da fehlt noch was, genau die Landung. Meistens der unspektakulärste Teil eines Flugtages und das ist auch gut so, denn dann ist wohl alles wunderbar gelaufen. Es kann jedoch relativ schnell anders kommen und die Landung bleibt einem mehr in Erinnerung als der Flug.

Zielankunft in Bodio
Ich nehme euch mit auf den Landeanflug mit meinen Gedanken. Diese beginnen bei mir schon relativ früh. Wo kann ich landen, wo hat es Hindernisse, von wo weht der Wind, ist in der Nähe ein ÖV Anschluss usw. Ich merke schon bald, dass ich mangelnder Höhe nicht mehr bis zum offiziellen Landeplatz in Faido gleiten kann. Also entscheide ich mich für eine Landung in Bodio. Landefelder hat es zur Genüge, der Bahnhof liegt ebenfalls in Laufdistanz. Die Windrichtung ist klar, da ich zur Zeit mit rund 60 km/h nordwärts unterwegs bin. Ich entscheide mich für einen Fussballplatz. Luvseitig ist zwar eine kleinere Baumgruppe, ich rechne jedoch mit keinen merkbaren Turbulenzen, da sie etwas weiter weg sind und das Feld relativ gross ist. Das kleinere Feld direkt neben dem Bahnhof meide ich bewusst. Ich denke an die letzte Aussenlandung im unwegsamen Tessin vor ein paar Tagen. Nichts unnötiges riskieren denke ich mir. Ich baue luvseitig des Landplatzes etwas Höhe ab, dabei mache ich mir ein Bild der Hindernisse am Boden. Das Gebäude, die Stromleitungen, Scheinwerfermasten, sowie die hohen Bäume neben dem Landefeld habe ich im Blick, das passt. Weiter gehts mit Gegenanflug und anschliessendem Queranflug, mit dem Wissen, dass diese eher klein ausfallen, aufgrund des Gegenwindes. Ich drehe gegen Wind in den Endanflug und mache mich auf die Landung bereit. Alles Flugschulwissen, ich weiss, was kann schon schief gehen, habe ich schon paar Mal gemacht.

Ich merke dass ich trotz anbremsen etwas schneller und höher anfliegen als angenommen, deshalb entscheide ich mich für ein paar S - Kurven vor dem Fussballplatz. Die gewünschte Höhe erreicht, fliege ich geradeaus über ein paar Bäume am Anfang des Platzes. Über der Rasenfläche angekommen, wollte ich die letzten Meter "herunterpumpen". Im Nachhinein völlig unnötig, der Platz wäre ja genug gross gewesen. Zum Schluss ein paar kleine S - Kurven um wunderbar in der Mitte des "Grünen" aufzusetzen. Halt, wozu die Kurven zum Schluss??, fragt ihr euch vielleicht. Ihr solltet recht behalten.
Ich fliege die erste Kurve und will anschliessend wieder zurück in Landerichtung drehen, da merke ich dass mein Schirm nicht wie gewünscht zurückdreht. Das kenne ich nicht vom Supair Step light, ein eher drehfreudiger Schirm. Folgendes schiesst mir sofort durch den Kopf: Du hast die Aussenseite kurz vor den Strömungsabriss gebracht.

Lösung: fliegen lassen, aber Achtung, Vorschiessen mit anschliessendem Pendeleffekt wahrscheinlich, ist genügend Höhe vorhanden oder doch gestallt "aufsetzen" ? Geschätzte waren es ca. 4m so genau weiss ich es nicht mehr, also entschied ich mich für das Fliegenlassen und blitzschnellen und überzeugenden Abfangen des Vorschiessens der Kappe. Glücklicherweise kam alles genau so und ich hatte ca. 2 Sek. später "Bodenkontakt". Ich landete etwas hart auf den Beinen und rollte mich ab. Sofort stand ich auf und machte ein paar Schritte. Ich weiss noch meinen Gedanken kurz vor dem Abstehen, wenn du aus dieser Landung einfach wegläufst, hast du Schwein gehabt.
Zum Glück war dieses Borstentier dabei und ich habe aus meiner Sicht in den letzten 2 Sekunden des Fluges instinktiv richtig reagiert, nachdem ich im mittleren Teil des Landeanfluges Fehler gemacht habe. Aber was ist überhaupt falsch gelaufen, obwohl ich die Landung eigentlich konzentriert eingeleitet habe?

Debriefing
Beim Zusammenpacken meines Supair Step war ich dankbar, dass der Flügel mir den Stallpunkt so gutmütig angezeigt hat. Des weiteren war ich einerseits extrem erleichtert, dass nichts weiteres passiert ist, anderseits war ich wütend auf mich. Wie konnte ich beim letzten Teil des Endanfluges nur so schlecht anfliegen und habe die Vorzeichen der Gefahr erst im letzten Moment realisiert?
Als ehemaliger Loadmaster auf dem Superpuma im Militär sind mir einige wenige Schemen und Gedankengänge der Fliegerei bekannt. Ich bin privat auch sehr interessiert an der Luftfahrt. Airspeed, Groundspeed, Anstellwinkel, Strömungsabriss usw. sind mir bekannt. Umso mehr ärgerte ich mich. Mir war auch sofort logisch wie es zu der Situation kam. Klar zum Schluss bin ich einfach zu langsam geflogen, aber so schnell gebe ich mich nicht zufrieden.

Ich habe aus meiner Sicht für meinen Geschmack einem wichtigen Punkt zu wenig Beachtung geschenkt, nämlich: Dem laufenden Überprüfen der aktuellen Flugsituation. Während dem Fliegen auf Strecke mache ich das dauernd und ist wie selbstverständlich. Aus welchem Grund ich es beim letzten Teil des Landeanfluges kurz vernachlässigt habe kann ich nicht genau sagen.
Vielleicht war es die Routine der Landung, eine kurze Ablenkung oder der Ehrgeiz genau in der Mitte des Platzes zu landen. War ich überrascht oder schätzte die Landefläche falsch ein? Hatten die Bäume doch mehr Einfluss als gedacht ? Evtl. habe ich mir die Landung im Vorfeld auch zu genau vorgestellt und daher wenig Spielraum für Anpassungen gelassen.
Während des Endanfluges hat sich die Flugsituation nämlich konstant verändert. Der Wind hat abgenommen, besseres Gleiten, angebremstes Fliegen, pumpen, dazu noch Kurven fliegen, usw. Irgendwann ist einfach zu viel des Guten und der Flügel kann keinen Auftrieb mehr erzeugen. Diese Veränderungen habe ich erst im letzten Moment erkannt und darauf reagiert. Besser wäre es gewesen, die Flugsituation laufend den Einflüssen anzupassen und immer mit genügend Geschwindigkeitsreserve zu fliegen. Eigentlich logisch, oder?

Learnings
Leider kann ich noch keine Erfahrung von 1000 Landungen mitnehmen, aber was ich für meine weitern Flüge und Landungen mitnehmen kann, sind die Learnings aus diesem Bodenkontakt. Ich nehme mir vor in Zukunft dem letzten Teil eines Fluges noch mehr Platz zu geben und noch bewusster wahrzunehmen. Mit dem Wissen das eine kontrollierte Situation relativ schnell in einen heiklen Flugzustand wechseln kann, wenn nicht dauernd alle möglichen Parameter überprüft und gegebenfalls angepasst werden.
Schlussendlich soll der Flug der "spektakuläre" Teil sein und nicht die Landung.

Am Abend steige ich aus dem Treno Gottardo in Erstfeld. Unwissend wünscht mir die Zugbegleiterin: "Auf wiedersehen und weiterhin gute Landungen" Passendere Worte hätte sie nicht wählen können.
Ein erfolgreicher Flug braucht eine gute, glückliche Landung.

Ich wünsche euch allen in diesem Sinne Happy Landings :)
Christian Zgraggen